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Vor 52 Jahren

Folgende Veränderung wurde am Trabant vorgenommen:
15.11.1972:
  1. Entfall einer Zwischenlage an der hinteren Blattfeder
Vorgestellt

Vorgestellt

Vorstellungen von interessanten Ost-Fahrzeugen

Last Edition - 444

2012-07-29 02:49:36 Geändert: 2022-01-01 16:50:27 (8) (Gelesen: 176529)

Hinter dem Name „Last Edition“ verbergen sich 444 Stück Trabant vom Typ 1.1 Universal in Toga-Weiß, die 1994/1995 als letzte Fahrzeuge dieser Baureihe ihren Weg in den Handel fanden. Anderen ist diese Reihe eher als „Die goldene Serie“ oder schlicht und einfach nur als 444er bekannt, resultierend aus der Stückzahl (wobei diese nicht zu 100% bestätigt ist).
Die Fahrzeug-Ident-Nummern dieser Fahrzeuge müssten grob gesehen zwischen
SNTU411ST M 9032150 und SNTU411ST M 9033774 liegen. Leider gibt es über die Verteilung der FIN aller 1.1er keine korrekte Dokumentation, so dass man diesen Bereich nur als groben Richtwert nehmen sollte.
Eigentlich bis hier her nichts Besonderes, aber die Fahrzeuge hatten bis zu ihren Verkauf schon einiges erlebt, denn hergestellt wurden sie schon im Jahre 1991.Was passierte also in den vier Jahren bis zu ihrem Verkauf?

1991 kaufte ein Importeur aus der Türkei eine nicht näher bekannte Anzahl von 1.1er Trabant. Diese Fahrzeuge wurden mit dem Zug über Polen weiter in die Türkei bis zum Zollhafen der Stadt Mersin (eine Hafenstadt in der Südtürkei) geschickt. Dort fand die Reise ein verfrühtes Ende, denn dem Importeur der mit den Trabant am Bosporus ein Geschäft machen wollte, fehlte die Einfuhrgenehmigung. Kurze Zeit später meldete er aus nicht bekannten Gründen Konkurs an.
Somit war für die Fahrzeuge erst einmal die Reise auf dem Zollfreilager von Mersin zu Ende.
Die Fahrzeuge standen nun dort unter freiem Himmel auf einem Zollplatz, umgeben von einem hohem Zaun und umwogen von einer frischen Brise salzhaltiger Meeresluft.

RücktransportRücktransportHier bei uns im Lande hatten die Menschen andere Sorgen und Probleme, und somit gerieten die Fahrzeuge fast in Vergessenheit.
Nach zähen Verhandlungen mit den türkischen Behörden holte die Sachsenring Automobiltechnik GmbH die Fahrzeuge 1995 auf eigene Kosten wieder zurück, mit dem Ziel diese Fahrzeuge als Sondermodell in den Handel zu bringen.
Man verschiffte die Trabant nach Bremerhaven, von wo aus sie den Rest der Reise zurück nach Zwickau per Zug zurücklegten. Hier trafen sie dann im Juli 1995 ein.

Das Ausmaß der Schäden an den Fahrzeugen wurde schnell sichtbar. Der Zahn der Zeit hatte ziemlich stark an den Fahrzeugen genagt, so dass man jedes Fahrzeug von „Grund an“ aufarbeiten musste. Jedes Fahrzeug…. Nein!! Die Schäden waren teilweise so groß, dass einige Fahrzeuge gleich verschrottet wurden und andere nur noch als Ersatzteilspender zu gebrauchen waren.
Die Scheiben waren dick verkrustet, ein Großteil der Scheinwerfer zerstört, viele waren mit herausgerissenen Sitzen, Löcher in den A-Säulen, an vielen Stellen Rost durch die salzhaltige Luft. Das Schutzwachs auf dem Lack hatte sich bei vielen mit der Farbe verbunden, welche jetzt eher nach schmutzigem Grau aussah, um nur einige Beschädigungen aufzuzählen.
Eine genaue Anzahl der Fahrzeuge, die verschrottet wurden, ist leider nicht bekannt bzw. wurde von der Sachsenring GmbH nie veröffentlicht. Auch sind Bilder aus diesen Tagen sehr selten, da man wohl den geplanten Verkauf der Fahrzeuge gefährdet sah, wenn potentielle Käufer gesehen hätten, in welchen Zustand sich die Fahrzeuge befanden.

Überholung durch Sachsenring-MitarbeiterDie Sachsenring GmbH überholte in den folgenden Monaten diese Fahrzeuge (29 ehemalige Mitarbeiter von Sachsenring wurde diese Aufgabe in die Hände gelegt) und brachte diese ganz groß raus, als "Last Edition" - für etwa 19.444 DM das Stück.

An dieser Stelle möchte ich aber auf das „Überholen“ noch einmal eingehen, denn wie im Westen jetzt üblich, wollte man maximalen Gewinn mit minimalem Aufwand machen.

Als erstes begann man die reparaturwürdigen Fahrzeuge zu zerlegen, so dass am Ende nur noch das Gerippe mit den Duroplastteilen übrig blieb. Da eine professionelle Neulackierung der Fahrzeuge einfach zu teuer gewesen wäre, holte man sich Angebote von Lackierfirmen ein, die kostengünstig die Fahrzeuge in einen verkaufswürdigen Zustand versetzten konnten.
Die Firma Lippert bekam den Zuschlag, da diese das günstigste Angebot machte (leider auch die schlechteste Qualität ablieferte). Durch Lackierfehler war die Firma gezwungen, öfters in der Woche einen Lackierer ins Werk zu schicken, um die Mängel zu beseitigen.
Man überspritzte zum Beispiel im Heckbereich die noch nicht ausgehärtete Hohlraumversiegelung, weshalb der Lack an dieser Stelle ziemlich weich blieb. Ich habe selber Modelle gesehen, an denen man scheinbar zu faul war, alles abzukleben und somit wurden die Aluzierleisten bei einigen Fahrzeugen einfach überspritzt. Das sparte Zeit und Geld, denn somit brauchte man die Leisten auch nicht noch zu Polieren und vom Dreck zu befreien.
Kurz gesagt, die Lackierung war bei vielen unter aller Würde. Keine sauberen Übergänge, über Dreck und Rost wurde bei vielen einfach überlackiert und da, wo es mal schnell gehen sollte, kam auch die gute alte Sprayflasche zum Einsatz (abgeplatzter Lack). Den Sprühnebel findet man bei einigen noch, wenn man sich die Dichtungsgummis genauer anschaut.
Besagte Löcher in der A-Säule wurden grob vom Rost befreit, so dass man ein Stück Reparaturblech einfach einschweißen konnte, nach dem Motto „Unter dem Lack sieht das dann sowieso keiner mehr“.
Um neuen Glanz auf „alten“ Teilen zu bekommen, wurde die Spraydose auch im Bereich des Tanks und der Abgasanlage eingesetzt, damit wenigstens zum Verkauf die Optik stimmte.

Bei den anderen Fahrzeugteilen konnte man nicht so sehr pfuschen, denn diese waren sicherheitsrelevante Teile, so dass man vorn die Hauptbremszylinder und Radbremszylinder bei allen erneuerte, um die Bremswirkung wenigstens sicher zu stellen..
Radbremszylinder und Beläge an der Hinterachse wurden jedoch nur bei Bedarf gewechselt.
Die Reifen wurden aus Alterungsgründen und wegen Standschäden bei allen Fahrzeugen gewechselt, aber auch hier griff man zu einem günstigen Hersteller.
Nach dieser angeblichen Generalüberholung wurden die Fahrzeuge dann wieder komplettiert und, weil es die „Last Edition“ sein sollte, noch mit besonderen Ausstattungsmerkmalen versehen, so dass jeder gleich sehen konnte, hier handelt es sich um einen der letzten Trabant. Zu Marketingzwecken wurde dann der Presse mitgeteilt, dass man die letzten 444 Stück Trabant verkauft. Ob es damals wirklich genau 444 Stück waren, mag man bezweifeln, aber auf den Werbeprospekten machte sich so eine Zahl besser. Somit ist nicht ganz sicher, wie viele Fahrzeuge aus dieser Reihe es wirklich gab.
Zu den besonderen Ausstattungsmerkmalen dieser 444er Reihe gehören:

  • Kunstledersitze

  • "Einer von 444 Trabant“-Messing Schriftzüge an Front und Heck

  • Blaupunkt-Kassettenradio „Greifenstein“ (zum Teil in Lizenzbau von RFT ACR 20 Greifenstein) mit passendem Einbaurahmen. Siehe Galerie

  • Zertifikat über den Erwerb eines der letzten Fahrzeuge

  • eine Sammlerplakette

  • Jeder Käufer eines der letzten 444 Trabant 1.1, erhielt ein kleines Buch über die Trabi-Geschichte.


Zu den Kunstledersitzen kann ich nur sagen, diese sahen zwar recht nett aus, aber das war es dann auch schon. Sie boten keinen richtigen Halt, man schwitzte darauf und das Kunstleder riss oft sehr schnell ein.
Besagtes Messingschild läuft ziemlich schnell an und „bleicht“ nach einiger Zeit im Freien schnell aus, so dass es vom weitem dann wie das zuvor verwendete schwarze Plastiktypenschild aussieht.
Das Blaupunktradio war soweit OK. Inwieweit bei den Fahrzeugen das in Lizenzbau gefertigte Radio von RFT zum Einsatz kam, ist leider nicht bekannt. Ich hatte solche Radios ab und zu zur Reparatur bei mir und ich würde fast sagen, außer dem Logo RFT auf der Blende waren die Radios von RFT zu 100% baugleich mit denen von Blaupunkt. Wenn man so ein in Lizenzbau gefertigtes Radio von RFT heute auf dem Flohmarkt oder bei Treffen findet, dann sind dort oft Preise von ca. 50 Euro fällig. Was die Händler einem aber nicht sagen, ist, dass dieses Radio mit einem Gerätecode versehen ist, welches das Radio gegen Diebstahl sichert. Wer also beim Erwerb dieses Radios nicht den Code zum Entsperren mit dazubekommt, dürfte große Probleme haben, dem Radio einen Ton zu entlocken.

Die Einbaurahmen, die für den Einbau der Radios verwendet wurden, sind angeblich von Lehrlingen in Handarbeit exklusiv für die 444er gemacht worden. So jedenfalls berichtete mir ein Mitarbeiter. Diese Rahmen dienen dazu, dass Radio leicht abfallend nach hinten zu positionieren und selbiges ca. 1 cm weiter nach vorne überstehen zu lassen. Das Ganze ist nötig, weil die normalen westlichen DIN-Radios oft zu lang sind und beim 1.1er hinten an die Lüftungsverteilung anstoßen. Dadurch bekommt man das Radio nicht ganz in den Einbaurahmen eingeschoben und es hält dann nicht richtig. Man sieht bei vielen 1.1ern, dass die Radios ca. 1 cm nach vorn herausschauen. Diese originalen Adapterrahmen sind nur noch selten zu bekommen, und deren Preise liegen so bei 30 Euro. Von den Rahmen wurden allerdings mehr als die besagten 444 hergestellt, so dass diese Teile auch in anderen 1.1ern oder auch in so manchem Wartburg 1.3 wiederzufinden sind.

Nachdem die Fahrzeuge aufbereitet zum Verkauf bereit standen, wollte die Sachsenring Automobiltechnik GmbH diese Fahrzeuge als „ Last Edition“ für 19.444,- DM zum Verkauf anbieten. Da die ABE für den Trabant 1.1 laut Einigungsvertrag seit dem 01.07.1994 abgelaufen war, erteilte die DEKRA für jedes Fahrzeug eine Einzelbetriebserlaubnis. Somit konnten diese Fahrzeuge bis 1996 als Neufahrzeuge zugelassen werden. Die Verkaufsaktion begann - begleitet von den Medien - am 11. Oktober 1995.

„Die sind wirklich was ganz besonderes", behauptete der leitende Meister Gerhard Schönland. Die Marktanalytiker dieses Unternehmens hatten sich aber scheinbar verschätzt, denn der Verkauf lief recht schleppend und nur sehr wenige wollten für einen Trabant so viel Geld ausgeben.
Aus Zwickau meldete man:
Autohändler reagierten bisher zurückhaltend auf das Angebot. Bis Ende vergangener Woche haben nur ein paar Privatleute und ein Autohaus die "Last Edition" verbindlich geordert, so Sachsenring-Sprecherin Monika Thomas...

Aus den Kreisen der Trabifans kamen Sätze wie:
"Mit der Geldtreiberei macht Sachsenring den ganzen Spaß kaputt."

Gerade einmal 94 Fahrzeuge konnten an den „Mann“ gebracht werden, so dass man sich gezwungen sah, den Preis für die Fahrzeuge auf 14.950,- DM zu senken. Leider brachte das auch nicht die erhofften Verkaufszahlen, so dass man sich nach neuen Absatzmöglichkeiten umsah.
Am 11. Mai 1996 wurde dann zwischen der Sachsenring Automobiltechnik GmbH und dem damaligem Allkauf-Geschäftsführer Theo Schnichels ein Kaufvertrag über 350 Trabant der Last Edition unterzeichnet.
Diese Supermarktkette versuchte dann ab 17.06.1996 die Fahrzeuge in ihren ostdeutschen Filialen für 9.999,- DM an den Mann / die Frau zu bringen. Es wurden Anzeigen und Werbetafeln geschaltet und die Fahrzeuge auf dem Gelände der Filialen ausgestellt, um so potentielle Käufer anzulocken. Der Verkauf der Fahrzeuge verlief auch hier nur sehr schleppend, aber für den jetzigen Preis fanden sich doch Käufer für die letzten Fahrzeuge.

Udo Lindenberg mit seinem Trabant

Udo Lindenberg mit seinem Trabant

Ein Fahrzeug der 444er Serie wurde für den Aufbau der Dresdner Frauenkirche gespendet und ein weiteres Fahrzeug bekam der Sänger Udo Lindenberg anlässlich seiner ersten Tournee durch die neuen Bundesländer 1996. Dieser bekam ein ganz besonderes Fahrzeug, es war nämlich das aller letzte der „Last-Edition“-Serie, zu erkennen an der eingestanzten Nummer 444. Dieses Fahrzeug kann man heute im Hotel Atlantic in Hamburg besichtigen, der Dauerherberge von Herrn Lindenberg. Gelegentlich wird dieses Fahrzeug auch von seinem Besitzer gefahren. Aktuell war dieser 444er wieder in der Presse zu sehen, als der Sänger sein neues Musical "Hinterm Horizont" 2011 vorstellte

Damals erschien es einigen Leuten als eine gute Gelegenheit (oder auch die letzte) sich ein Fahrzeug zu kaufen, welches später einmal in die Sammlung kommen sollte.
Durch die schlechte Aufarbeitung waren viele Fahrzeuge nur Blender. Von außen sahen sie auf den ersten Blick neu und gepflegt aus, aber unter ihrem Duroplastkleid arbeitete der Rost weiter. Dieses bekamen einige Käufer nach ihrem Kauf zu spüren, als sich schnell wieder Roststellen zeigten. Inwieweit es damals Garantieansprüche gab, ist leider nicht hinreichend hinterlegt. Ich kenne selber Käufer von 444ern, die ihre Fahrzeuge 3-4 Jahre gefahren haben und sie dann in ihre Sammlung stellen wollten. Als das Fahrzeug zur Stilllegung in einer Werkstatt war, wurde zur Prophylaxe mal ein Kotflügel demontiert, da in dieser Werkstatt die Probleme der letzten Trabant bekannt war. Das Erstaunen des Besitzers war groß, als dort ziemlich große Roststellen zum Vorschein kamen. Nach dem Lösen sämtlicher Beplankungen war dann das ganze Ausmaß zu sehen, so dass kurzer Hand entschieden wurde, das Fahrzeug kommt nicht in die Sammlung, sondern wird noch so lange weitergefahren wie es TÜV bekommt.

An dieser Stelle möchte ich noch einmal sagen, dass, wenn es hier auch nicht all zu viel Positives über den 444er zu berichten gibt, es auch Fahrzeuge dieser Reihe gibt, die gehalten haben, was bei ihrem Verkauf versprochen wurde. Nicht jeder 444er ist gleich eine Rostlaube, aber solche Fahrzeuge sind halt nur sehr selten zu finden. Angebliche Schimpfworte wie „Türken-Trabis“ sollen angeblich die Runde gemacht haben, was ich selber aber noch nie gehört habe. Für mich als 1.1er Fan gehören die 444er einfach dazu, auch wenn sie das letzte traurige Kapitel der 1.1er Trabanten besiegelt. Ich freue mich über jedes gut gepflegte Fahrzeug dieser Reihe, denn ich weiß, dass dessen Besitzer es noch schwerer haben, als die Käufer vorheriger Serienfahrzeuge. Wirkliche Fans erkennt man an solchen Fahrzeugen, denn den einfachen Weg kann jeder gehen.
Wer einen rostfreien 444er mit allen Urkunden und Ausstattungsmerkmalen sein eigen nennen darf, hat sicherlich eine echte Rarität in seiner Garage stehen.

Mit freundlichen Viertaktgrüßen Tino23
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